Es ist das neue Zauberwort für effizientes Arbeiten in Zeiten der Digitalisierung, der Disruption und des beständigen und immer schneller werdenden Wandels: Agilität. Agil, das klingt nicht nur frisch und dynamisch, es ist auch bis zum Rand aufgeladen mit schönen Versprechen: enorme Leistungssteigerung von Teams, zufriedenere Mitarbeiter, kreativere Ergebnisse. Alles wird besser und schöner und schneller.
Nur leider, hat wie immer auch die schöne neue Welt einen Preis.
Kurz gesagt: Mindestens Schweiß und Tränen. Mitunter (und das gar nicht so selten) auch Mitarbeiter. Denn, wen wundert es, Zauberei ist Agilität leider doch nicht. Es ist eine Idee der Zusammenarbeit, die viele der Probleme, die es heute in Unternehmen gibt, lösen kann. Wohlgemerkt „kann“. Einen Automatismus gibt es nicht. Wie so häufig bei neuen Management-Moden herrscht der Irrglaube, überall das Label „agil“ dranzuhängen, würde direkt zu mehr Beweglichkeit führen. Agiles Arbeiten kann aber nur zu etwas führen, wenn es ernst gemeint ist. Eine Simulation von Agilität führt zum Gegenteil von dem was erhofft war: zu Chaos und Frustration auf allen Seiten und damit zu einer ganz neuen Unbeweglichkeit.
Zumal Agilität keine Methodik ist,
die in einem Zehn-Punkte-Plan abgearbeitet werden könnte. Denn die schlechte Nachricht ist auch: Es gibt keine Blaupause. Agilität ist eine Frage der Haltung, und die insbesondere der Führung. Und hier kommen wir an den wohl entscheidendsten Knackpunkt: Agilität erfordert jede Menge Mut und jede Menge Bereitschaft, sich und seine Arbeitsgewohnheiten zu hinterfragen und neu zu definieren. Jaha, die eigenen. Nicht die der anderen. Nicht die Mitarbeiter müssen sich als erstes ändern. Sondern derjenige der die Losung „ab jetzt agil“ ausgibt.
Wer hier eifrig nickt und sich selbst in die Kategorie der wenigen rechnet, die sehr veränderungsbereit sind, dem sei kurz zugerufen: Halten Sie kurz inne. Wie viel Verantwortung sind Sie bereit an Ihre Mitarbeiter abzugeben – und zwar ohne am Ende doch alles zu kontrollieren? Wie wichtig ist Ihnen Prestige tatsächlich? Sind Sie bereit, sich stärker in den Dienst des Teams zu stellen, so richtig – nicht als Lippenbekenntnis? Was ist mit Ihren Zielvereinbarungen, die sie bisher immer locker erreichen konnten und die Ihnen jährlich den Weihnachtsurlaub finanzierte?
Verändern sollen sich aber bitte die anderen
Im echten Leben scheitert Agilität an genau solchen Punkten – und vor allen an den Führungskräften, die nach dem ersten Enthusiasmus spüren, dass es hier nicht um große Reden und schicke Labels geht. Verändern, so richtig, im Kopf und im Tun, das bedeutet schon was. Weiß letztlich jeder, der sich schon einmal vorgenommen hat mehr Sport zu treiben oder sich gesünder zu ernähren. Das Commitment ist schnell gefunden. Diese neue Idee zum Alltag, zur Grundhaltung zu machen, steht auf einem anderen Blatt.
Aber eben auf dem Entscheidenden. Eine Führungsmannschaft, die nach wie vor an die alten Spielregeln glaubt und an ihren alten Machtpositionen hängt, erstickt agiles Arbeiten im Keim. Mehr als das Label bleibt dann nicht. Schlussendlich kommen dann alle nach einem Jahr Chaos zu der einhelligen Erkenntnis, dass Agilität eben doch nur etwas für hippe IT-Buden und die Linienorganisation gar nicht so verkehrt ist.
Keine Agilität ist auch keine Lösung
Egal, ob Sie einen Testballon in einer Abteilung planen oder ihre gesamte Organisation auf „agil“ bringen wollen: Sie müssen es ernst meinen. Und dann auch mit aller Konsequenz und gegen alle Widerstände (und ja, die wird es geben) durchhalten. Nicht an einem Fahrplan. Sondern an der Idee. Die konkrete Umsetzung muss dabei immer an die Menschen und die realen Aufgaben in Ihrem Unternehmen angepasst werden. Ausprobieren und Fehler machen gehört zum Prinzip von Agilität. Aber den Mindset müssen sie nicht nur verstanden haben, Sie müssen ihn leben. Nur dann, können Sie andere davon überzeugen. Und ohne die anderen geht es nun mal nicht. Echte Führung eben. Oder Leadership, wie man heute sagen würde.
Jetzt sind Sie ordentlich abgeschreckt und überlegen lieber wieder, wie Sie die Mitarbeiterjahresgespräche diesmal organisieren können und dass Zielvereinbarungen bisher doch auch immer eine schöne Sachen waren. Aber vielleicht hat Sie jetzt auch der Ehrgeiz gepackt.
So oder so: Lassen Sie uns mal darüber sprechen. Bei Agilität geht es ja genau nicht um die Weisheit des Einzelnen. Eine gute Begleitung, eine ehrliche Beratung, vielleicht gezieltes Coaching können helfen. Sie müssen ja nicht jeden Fehler neu machen – und wenn es doch Irrwege oder Sackgassen gibt (es wird und muss sie geben), dann hilft der Blick von außen, sie schneller zu erkennen und neue Pfade zu finden. Der Kaffee geht auf’s Haus.
Julia Lupp